Einhausung in Schwamendingen: Mehr als blosser Lärmschutz
Nach sechs Jahren Bauarbeiten und insgesamt über 25 Jahren
Planung ist das Jahrhundertprojekt «Einhausung» Realität: Die Autobahn A1 in
Schwamendingen wurde nicht nur mit einer simplen Überdachung versehen, sondern
vielmehr mit einer ausgeklügelten Einhausung, auf welcher ein Park für die
Quartierbevölkerung entstanden ist. Vor Kurzem wurde das vollendete Projekt nun
eröffnet.

Quelle: Corinne Pitsch-Obrecht
Während der Verkehr unten rollt, herrscht oben friedliche Idylle – endlich.
940 Meter. So lang ist die erste Einhausung der Schweiz. 940
Meter, für welche die Anwohner lange kämpfen mussten: Mehr als 25 Jahre nachdem
die Quartierbewohnerinnen und Bewohner ihre Volksinitiative mit der Forderung
nach einer Überdeckung der Autobahn eingereicht hatten, wurde diese nun Anfang
Mai feierlich eröffnet. Das Megaprojekt war ein Schulterschluss und dies nicht
nur auf politischer Ebene: Insbesondere die Quartierbewohner tragen einen
grossen Mitverdienst daran, dass die Einhausung der Autobahn erfolgreich
realisiert werden konnte. Waren es doch sie, welche jahrelang dafür kämpften,
dass sich etwas ändert.

Quelle: Corinne Pitsch-Obrecht
Am Tag der Eröffnung zog der Überlandpark bereits viele interessierte Anwohner und Besucher an.
Ein langer Weg mit vielen Hürden
Die Diskussionen um die Einhausung sind so alt wie die Autobahn selbst. Seit die Autobahn 1980 eröffnet wurde, regte sich Widerstand gegen den immer stärker zunehmenden Verkehr, die Abgase und den Lärm. Über 120 000 Fahrzeuge brettern tagtäglich durchs Quartier, dreimal mehr als beim berühmt-berüchtigten Osterstau am Gotthard. Eine Belastung sondergleichen für alle Anwohner. Bei der Eröffnung der Autobahn war der Bevölkerung zwar eine Kanalisierung des Verkehrs versprochen worden, ebenso wie «ästhetisch gefällig gestaltete» Lärmschutzwände, wie es im soeben erschienen Taschenbuch zum Überlandpark nachzulesen ist (siehe Infobox).
Es kam jedoch anders als erhofft und so wurden die
Schwamendinger selbst aktiv. In den folgenden Jahren gab es verschiedene
Versuche, die lärmige Autobahn-Problematik anzugehen. So hatte beispielsweise
der Architekt Pierre Zoelly die Idee gehabt, die Schnellstrasse (welche bereits
vor der Autobahn existiert hatte), mit Gewerbe- und Wohnbauten zu überbauen.
1991 schliesslich reichte der Kantonsrat Peter Roth ein Postulat ein mit der
Forderung, die Autobahn mit einem «Glashaus» zu ummanteln. Diese Idee wurde jedoch
sowohl vom Kantonsrat wie auch von der Stadt abgelehnt. Das Projekt war
städtebaulich sehr umstritten, finanziell nicht realisierbar und wurde nicht
zuletzt auch aus Sicherheitsgründen abgelehnt. Stattdessen schlug der Stadtrat
vor, entlang der Autobahn drei Meter hohe Lärmschutzwände aufzubauen.
Für die Schwamendinger war dies lediglich ein Tropfen auf
den heissen Stein. Sie organisierten sich und gründeten 1997 den Verein
«Einhausung Autobahn Schwamendingen». Ziel des Vereins sollte es sein, eine
Volksinitiative zu lancieren, welche von sämtlichen Seiten abgestützt werden
würde. Von links bis rechts, von Mietern und Hausbesitzern, Investoren und
Genossenschaften: Der Verein schaffte es, alle betroffenen Parteien ins Boot zu
holen und die Volksinitiative im März 1999 bei der Staatskanzlei einzureichen.
Niemand konnte zu jenem Zeitpunkt ahnen, dass es ein Vierteljahrhundert dauern
würde, bis das Grossprojekt endlich vollendet sein würde. 2001 gründeten die
Schwamendinger Baugenossenschaften zudem zusammen den Verein «IG pro zürich
12». Der Verein besteht aus 15 gemeinnützigen Wohnbauträgern, welche insgesamt
über ein Wohnungsvolumen von über 5200 Wohnungen im Quartier verfügen. Zusammen
mit dem Verein für die Einhausung leisteten sie essenzielle Arbeit und wurden
nicht müde, bei den unterschiedlichen politischen Ebenen für ihr Projekt zu
kämpfen.

Quelle: Corinne Pitsch-Obrecht
Von diesen sehr markanten Aufbauten gibt es im ganzen Park insgesamt 17 Stück. Bei einem Notfall im darunter gelegenen Autobahntunnel dienen sie als Öffnung für die Entrauchung.
«Deckel drauf» – und zwar im besten Sinne
Anfang Mai schliesslich konnte die Einhausung endlich
eröffnet werden. Bei einem feierlichen Anlass vor Medienvertretern wurde das
Projekt vorgestellt und eingeweiht, bevor es dann am Folgetag der Öffentlichkeit
übergeben wurde. Bundesrat und UVEK-Vorsteher Albert Rösti war ebenfalls vor
Ort dabei und erklärte, dass das Projekt massgebend sei für künftige
Infrastrukturprojekte in der Schweiz; aufgrund der gesteigerten Mobilität im
Land würden wohl weitere Verkehrsknotenpunkte folgen müssen. Er betonte, dass solche
Projekte eben nur dann Realität werden würden, wenn alle partnerschaftlich
zusammenarbeiten würden. Ein klarer politischer Wille müsse sowohl in der
Bevölkerung als auch auf allen drei politischen Ebenen vorhanden sein.
Ansonsten bleibe es beim Wunschdenken. Als Verkehrsminister der Schweiz hat
Albert Rösti erkannt, dass der Verkehr und der wenige Raum zu den grossen
Herausforderungen unserer Zeit gehören. Neue Wege sind erforderlich, um diese
zu meistern. Wie Albert Rösti abschliessend bemerkte, zeige die Einhausung gut,
dass dies möglich sei. Es sei eine Lösung entstanden, von der alle
profitierten.

Quelle: Corinne Pitsch-Obrecht
Bundesrat und UVEK-Vorsteher Albert Rösti bei seiner Rede am 9. Mai.
Regierungsrätin Carmen Walker-Späh ihrerseits sprach von der
sogenannten «Deckel-Drauf-Mentalität». Diese würde normalerweise Kritisches
unterdrücken und zu Stillstand führen. Die Einhausung, in welcher ebenfalls ein
«Deckel» aufgesetzt wurde, bedeute dieses Mal jedoch, dass das Ziel erreicht
worden sei. Hier sei ein Deckel auf etwas gelegt worden, was früher als
unüberwindbares Hindernis gegolten habe, wie sie ausführt. Wie Carmen
Walker-Späh weiter ausführte, werde der «Deckel» den Charakter des Quartiers
sofort verändern. Als Analogie gab sie den High-Line-Park in Manhattan an,
welcher heute ein Touristenmagnet ist und für viel «Grossstadt-Feeling» sorge.
Gross sei auch der Berg an Akten geworden über die Jahre. Wie Carmen
Walker-Späh abschliessend bemerkte, betrage die Gesamtlänge aller Akten der
Verwaltung zur Einhausung fast 9 Meter. Umso erleichterter dürfte sie also nun
sein, dass der Deckel auch hier bald «drauf» ist.
Stadtpräsidentin Corine Mauch zeigte sich ebenfalls
zuversichtlich und betonte, dass die Einhausung eine «grosse Wunde» sei, welche
«endlich geschlossen werden könne». «Was lange währt, wird endlich gut» meinte
sie und spielte damit auf die schwierige und vor allem langwierige Geschichte
an. Auch sie vermerkte, dass es keine Einhausung geben würde ohne die
Hartnäckigkeit der Anwohner. Stadträtin Simone Brander war ebenfalls erfreut
und zeigte sich optimistisch in ihrer Ansprache. Sie betonte, dass dies der Beginn
einer neuen Ära sei für Schwamendingen und dass die Einhausung ein Geschenk
sei, welches nun an die Bevölkerung übergeben werden könne.

Quelle: Corinne Pitsch-Obrecht
Ein grosser Tag für Alle: Regierungsrätin Carmen Walker-Späh, Stadtpräsidentin Corine Mauch, Vereinspräsident Jürg Rüegger («Einhausung Autobahn Schwamendingen»), Bundesrat Albert Rösti, Stadträtin Simone Brander und Vereinspräsident Thomas Lohmann («IG pro zürich 12») (v.l.n.r.)
Bald folgen die nächsten Baustellen
Offen bleibt indes, wie sich die Veränderung im Quartier auf
die Bevölkerung auswirken wird. Eine derartige und offensichtliche positive
Veränderung kann potenziell eine regelrechte «Gentrifizierungs-Welle» auslösen,
welche nicht nur mehr Lebensqualität mit sich bringt, sondern in ers-ter Linie
höhere Mieten. Alteingesessene Schwamendinger könnten möglicherweise aus dem
Quartier vertrieben werden, wenn sie sich die neuen Mieten nicht mehr leisten
können. Tatsächlich sind entlang des Überlandparks bereits eine Vielzahl von
Ersatzneubauten geplant und teilweise auch bereits ausgesteckt. Beim
Spaziergang durch den Überlandpark fällt auf, dass links und rechts des Parks
zahlreiche Bauprojekte vorgestellt werden. Entlang des Überlandparks wurden
insgesamt sieben Projektposter für verschiedene Siedlungen angebracht, was ein
deutliches Zeichen für die bald rege Bautätigkeit ist. Derzeit umfassen die
Siedlungen jeweils zwischen 54 und 103 Wohnungen. Einzige Ausnahme: Die
Siedlung «Luegisland» der Genossenschaft «bahoge» verfügt bereits heute über
208 Wohnungen. Sämtliche Siedlungen werden in den nächsten Jahren ersetzt: Bei
drei Siedlungen starten die Bauarbeiten bereits 2026, bei zwei weiteren 2029.
Die Überbauung «Siedlung am Park» soll spätestens 2035 bezugsbereit sein.
Einzig bei der «Luegisland»-Überbauung ist das Datum noch ungewiss: Bei der
Überbauung von 1964, welche zwischen dem Überlandpark und dem Freibad Auhof
gelegen ist, werden zum Zeitpunkt der Park-Begehung im Mai noch keine konkreten
Zahlen genannt. Die Gespräche dazu zwischen der bahoge und anderen
Grundeigentümern laufen noch.
Etwas haben jedoch alle Neubauten gemein: Die Anzahl
projektierter Wohnungen fällt bei jeder Siedlung mindestens 1,5-mal grösser aus
als der aktuelle Ist-Zustand. So ergeben die ausgeschilderten Siedlungen
aktuell ein Wohnungstotal von 725 Wohnungen. Bereits bekannt ist aktuell der
Neubau von 1025 Wohnungen – dazu kommen noch die Wohnungen der
«Luegisland»-Überbauung. Bei einer Vergrösserung um 50 Prozent wären dies
zusätzliche 312 Wohnungen, also insgesamt 1337 Wohnungen, welche entlang dem
Überlandpark neu gebaut werden in den nächsten drei bis 10 Jahren.
Schon Napoleon war hier
Wie Jürg Rüegger, Präsident des Vereins «Einhausung Autobahn
Schwamendingen», im Gespräch erklärte, bestünde für die Projekte entlang der
Einhausung ein Bauvolumen von 1,5 Milliarden Franken. Ohne Zweifel wird diese
Riesensumme den Charakter des ehemaligen Arbeiterquartiers Schwamendingen stark
verändern. Jürg Rüegger betont, dass diese Bauvolumen auch ganz andere
Kommunikationskanäle in der Gemeinschaft bedeuten würden: «Wir werden sehr
stark auf elektronische Kanäle setzen, gerade auch bei den Genossenschaften, um
innerhalb der Mitgliederschaft die Partizipation auf einem hohen Niveau zu
halten.» Bereits jetzt gibt es innerhalb der Genossenschaften eigene Apps, mit
welchen die Bewohner kommunizieren können. Schwamendingen sei diesbezüglich
sicher «Avantgarde», wie Jürg Rüegger humorvoll sagt. Die Genossenschaften
seien derart vernetzt, dass sie gemeinsame Planungsprozesse machen und
gemeinsam die Verteilung der Gemeinschaftsräume organisieren würden beim Bau.
Zudem: Während den Umzügen werde gemeinsam ein Wohnungsersatz angeboten. Wie
Jürg Rüegger sagt: «Es ist ein Riesenaufwand, aber sie machen es super.» Was
entgegnet er kritischen Stimmen, welche das Projekt zu teuer oder sonst
mangelhaft finden? Jürg Rüegger entgegnet, dass auch diese Stimmen ihre Berechtigung
hätten. Allerdings gäbe es diese Verkehrsachse nun einmal, man könne einzig
sicherstellen, dass sie gut funktioniere. Schliesslich habe bereits Napoleon um
die Bedeutung des Weges durch Schwamendingen gewusst.

Quelle: Corinne Pitsch-Obrecht
Jürg Rüegger, Vereinspräsident «Einhausung Autobahn Schwamendingen»
Kleiner historischer Exkurs
Was er damit meint: Als im Herbst 1799 Truppen Österreichs
und Russlands von Napoleon Bonaparte aus der Stadt Zürich vertrieben wurden,
mussten diese auf ihrem Weg in Richtung Norden durch Schwamendingen flüchten.
Dort kam es zu einer der letzten Schlachten. Die französische Armee obsiegte
schliesslich, wenn auch verlustreich, und mit ihr Napoleon. 90 000 Mann waren zu dieser Zeit in
der Limmatstadt stationiert. Frankreich hatte 1797/98 die Schweiz besetzt und
die Helvetische Republik ausgerufen. Im Frühjahr
1799 entfachten die Franzosen in Europa den Zweiten Koalitionskrieg. Die
Koalitionspartner, zunächst die Österreicher und später russische Truppen,
eröffneten im Juni 1799 eine Offensive auf Zürich und vertrieben die Franzosen
aus ihrem strategischen Verteidigungspunkt (erste Schlacht von Zürich).
Doch dieser Erfolg war nur von kurzer Dauer. Bereits im
September erkämpften sich die Franzosen die Stadt in einer verheerenden
Rückeroberung zurück, woraufhin die Russen Zürich fluchtartig räumen mussten
(zweite Schlacht von Zürich). Ob die Einhausung Schwamendingen in gleichem
Masse verändern wird, wie dies Napoleon vor über 200 Jahren mit der Schweiz
gelang, wird die Zukunft zeigen.

Quelle: Corinne Pitsch-Obrecht
Auch für das leibliche Wohl soll gesorgt sein: Im Pavillon (auf der Höhe der Saatlenstrasse) gibt es ein Café, welches zum Verweilen einlädt.

Quelle: Corinne Pitsch-Obrecht
Blick ins Innere des Cafés.
Quo vadis Schwamendingen?
Thomas Lohmann, Präsident des Vereins «IG Pro Zürich 12»
zeigt sich zwar kampflustig: «Wir sind noch nicht am Ziel», sagt er und erklärt,
dass die Einhausung ein Meilenstein am Start vieler weiterer Meilensteine sei.
Trotzdem ist er sich der Gefahr, welche vom Erfolg dieser Meilensteine ausgeht,
durchaus bewusst. Er betont, dass eine Verdrängung ganzer Bevölkerungsgruppen
drohen könnte. Dabei sei es wichtig, dass die positive Entwicklung, welche das
Quartier aktuell erlebe, nicht auf Kosten der Menschen geschehe, welche schon
lange in Schwamendingen lebten. Die soziale Durchmischung des Quartiers solle
weiterhin gefördert werden, damit alle Menschen, unabhängig ihres Einkommens,
ihre Wurzeln und ihr Zuhause in Schwamendingen bewahren könnten.
Der Verein, welcher die Interessen von insgesamt 15
Genossenschaften vertritt, unterstützt dieses Ziel konkret. So würden die
Genossenschaften Anwohnern aktiv die neuen Wohnungen anbieten, damit diese
weiterhin bleiben respektive nach dem Umbau zurückkehren könnten. Dank der
Tatsache, dass die Genossenschaften circa 50 Prozent der Wohnungen im Quartier
besitzen, dürften so manche Hoffnungen auf nicht allzu astronomische Mieten
zumindest ansatzweise erfüllt werden.
Auf die Frage, was der Tag der Eröffnung für ihn persönlich
bedeute, meint er abschliessend: «Es bedeutet primär die Gewissheit, dass
Vernetzung und demokratische Prozesse auch für Visionen funktionieren, die ein
Zusammenspiel zwischen der Bevölkerung und allen politischen Ebenen und
Institutionen verlangt. Der Tag bedeutet für uns auch, dass wir nun in der
Pflicht stehen, den neuen Park mit möglichst viel Gefühl für die
Quartierbevölkerung in das städtebauliche und sozialräumliche Gefüge in
Schwamendingen einzugliedern.»
Ein Dorf, in dem man sich kennt
Im Gespräch mit dem Baublatt haben viele Schwamendinger und
weitere Besucher den neuen Überlandpark einhellig gelobt. Sie zeigen sich
erfreut, dass nicht nur die Autobahn «weg» ist, sondern dass es obendrauf noch
einen Park gibt mit Spielplätzen, Pflanzen und einem Café. Gleichzeitig sind
viele Betroffene verunsichert, wie es mit «ihrem» Schwamendingen nun
weitergehen wird. Zu präsent ist die Angst vor hohen Mieten und
Gentrifizierung. Die Vizepräsidentin des Quartiervereins Schwamendingen, Dany
Hermel, erklärt im Gespräch, dass Schwamendingen aktuell noch ein Dorf sei. Man
kenne sich, man grüsse sich noch unterwegs. Die Angst, dass dieser Charakter
verloren gehen könnte, sei definitiv da. Aus diesem Grund engagiere sich der
Quartierverein sehr stark, um die Leute zusammenzubringen. Tatsächlich ist der
Quartierverein Schwamendingen sehr aktiv und auf mehreren Kanälen präsent:
Nebst einer Webseite verfügt der Verein auch über Auftritte auf drei
verschiedenen Social Media-Plattformen. Ausserdem hat Schwamendingen sogar
einen eigenen TV-Sender: «Tele Schwamendingen», das «erste Zürcher
Quartierfernsehen». 2025 feiert es bereits sein 20. Jubiläum.
Trotzdem seien Veränderungen auch in Schwamendingen bereits
jetzt spürbar, sagt Dany Hermel. Zwar sei die Veränderung noch nicht so extrem
wie in anderen Quartieren; aber bereits jetzt gebe es Menschen, welche sich
aufgrund steigender Mieten nach einer neuen Bleibe umsehen müssten. Dabei
sollen die Menschen auch künftig sagen können «ich lebe in Schwamendingen» und
nicht nur «ich wohne in Schwamendingen», wie Dany Hermel betont. Und sie muss
es wissen: Bevor sie nach Schwamendingen gekommen sei, sei sie 19-mal
umgezogen. Der 20. Und letzte Umzug schliesslich erfolgte nach Schwamendingen –
und dies vor 22 Jahren.

Quelle: Corinne Pitsch-Obrecht
Dany Hermel, Vizepräsidentin Quartierverein Schwamendingen
Ideen gegen graue Wände
Mirella Wepf wohnt zwar nicht in Schwamendingen, verfolgt
aber als ehemalige Gemeinderätin von Zürich und Kommissionsmitglied die
Entwicklung der Einhausung schon lange. An die Eröffnung ist die Journalistin
als Besucherin gekommen, um das Resultat in seiner nun endlich vollendeten Form
zu sehen. Sie betont, dass am Beispiel von Schwamendingen gut sichtbar werde,
wie wichtig Raumplanung sei. Früher seien einfach Autobahnen mitten durch ein
Quartier gebaut worden. Später müssten diese dann mittels einer teuren
«Pflästerli»-Politik verbessert werden. Schwamendingen kann so je nach
Perspektive gut als Vorbild oder eben Mahnmal für weitere Bauprojekte dienen.
Sie findet aber den Überlandpark ebenfalls gut gelungen und begrüsst die
unterschiedlichen Spielmöglichkeiten. Eine Idee hätte Mirella Wepf noch im
Bezug auf die Seitenwände: In Ihrer Zeit als Gemeinderätin habe sie seinerzeit
ein Postulat eingereicht mit der Frage, ob an der Seitenwänden Boulder-Wände
erstellt werden könnten.
Die Seitenwände des Parkes wurden im Projekt als sogenannte
Mauergärten geplant. Dabei wachsen von unten Kletter- und Spalierpflanzen,
während von oben Schleppenpflanzen herunterhängen. Die Kombination der beiden
Seiten vereinigt sich zu einer vielfarbigen Vegetationstextur, wie es im Buch
mit dem Titel «Einhausung & Hochpark – Gestaltung der Autobahneindeckung
und des Ueberlandparks in Zürich Schwamendingen» heisst. Das Buch fungiert als
eine Art Reiseführer für den neuen Überlandpark und gibt nicht nur wertvolle
Informationen zum Bauprojekt, sondern auch detailliertes Hintergrundwissen zur
Pflanzenwelt. Auf fast 200 Seiten fasst er Wichtiges und Informatives über das
Bauwerk sowie über die Flora und Fauna zusammen (siehe Infobox).

Quelle: Corinne Pitsch-Obrecht
Eine der Seitenwände des Parks. Ob hier noch Weiteres entstehen wird nebst Bepflanzung wird sich zeigen.
Einschränkungen für die Pflanzen
Die Bepflanzung des Überlandparks stellte indes die Planer
vor eine grosse Herausforderung. Aufgrund des unter dem Park liegenden
Autobahntunnels ist die Bodenschicht im Park nicht allzu hoch: Lediglich 40
(Schöneich) respektive 90 Zentimeter (Aubrugg). Die Bäume des Parks (sogenannte
Flachwurzler) müssen sich dem anpassen. Dazu kommt, dass die Nutzlast
beschränkt ist. Der Park wird nicht künstlich bewässert, was in Anbetracht der
immer häufiger auftretenden Hitze- und Trockenheitsphasen eine weitere Herausforderung
darstellt für die Pflanzen. Die Pflanzenwelt im Park hat also mit extremen
Bedingungen zu kämpfen. Ideal eignen sich dafür Pflanzen, welche auch in der
Natur ähnliche Lebensbedingungen haben und diesen trotzen können. Als Beispiele
diente beispielsweise die karge Felslandschaft des Kantons Jura. Damit setzt
der Überlandpark einen Kontrast zum sonst sehr üppigen und grünen Quartier
Schwamendingen, welches nicht umsonst auch «Gartenstadt» heisst.

Quelle: Corinne Pitsch-Obrecht
Beim grossen Brunnen auf der Höhe Saatlen hat es sogar Bötchen für die Kleinen.
Fazit
Abschliessend lässt sich sagen: Die Einhausung von
Schwamendingen ist wahrhaftig ein Jahrhundertprojekt. Ein Erfolg, welcher dank
einer Vielzahl von Akteuren auf allen politischen Ebenen zustande kam,
angetrieben von einer sehr engagierten Quartierbevölkerung. Einer
Quartierbevölkerung, welche mit ihrem unermüdlichen Kampfgeist aufzeigt, wie
erfolgreich direkte Demokratie sein kann. Es bleibt den Menschen von
Schwamendingen zu wünschen, dass sie die Früchte ihres Erfolgs langfristig
geniessen können – und nicht aus ihrem Quartier verdrängt werden.

Quelle: Corinne Pitsch-Obrecht
Die Rutschbahn steht Gross und Klein offen.

Quelle: Corinne Pitsch-Obrecht
Erlebte am Tag der Eröffnung einen Ansturm: Die Rutschbahn vom Park runter zu den Wohnhäusern.
Buch zum Überlandpark

Quelle: zvg
Pünktlich zur Eröffnung des Überlandparks ist das Buch
«Einhausung & Hochpark:
Gestaltung der Autobahneindeckung und des Ueberlandparks in Zürich Schwamendingen» erschienen.
Das vom Journalisten und Historiker Adi Kälin in
Zusammenarbeit mit agps architecture sowie Krebs und Herde
Landschafts-architekten verfasste und im Taschenbuch-Format gehaltene Werk führt den interessierten Leser durch die Entstehungsgeschichte des
Überlandparks. Auf insgesamt 192 Seiten und
mit über 330 Bildern illustriert, erläutert der «Exkursionsführer» auf interessante Weise die
Problematik der Situation, das Bauwerk und seinen dazugehörigen Park. Ausserdem
werfen die Autoren auch einen interessanten Blick auf die naturkundlichen
Aspekte des Parkes: So werden die vielfältigen Bepflanzungen und Refugien für
Tiere erklärt; ist doch gerade die im Überlandpark herrschende Situation eine
spezielle Herausforderung für die Pflanzenwelt. Eine schöne und handliche
Publikation für alle, welche das Projekt näher kennenlernen möchten. Das Buch
kann für 19 Franken beim Verlag «Park Books» erworben werden.
Mehr Infos unter: www.park-books.com